ConAct-News

Auf Spurensuche in Auschwitz

ConAct-Freiwilliger nimmt an Jugendbegegnung des Deutschen Bundestages anlässlich des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus teil

„The Final Solution“, so heißt ein Lied der schwedischen Band Sabaton, welches die Schrecken der Deportation und Vernichtung durch das deutsche NS-Regime während des Holocaust musikalisch verarbeitet. Es wird mir all die Tage nicht aus dem Kopf gehen. Ich wurde vom Bundestag eingeladen, an der Jugendbegegnung anlässlich des Gedenkens zum 75. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau teilzunehmen, die dieses Jahr in Polen und Deutschland stattfand. Auch wenn ich vor ein paar Jahren schon einmal die Gedenkstätte besucht hatte und mir ungefähr vorstellen konnte, was mich erwartet, war es doch wieder eine Erfahrung fürs Leben.

Die ersten beiden Tage der Jugendbegegnung standen im Zeichen des Kennenlernens: Jugendliche aus über 60 Länder nahmen teil; es waren Russ*innen, Ukrainer*innen, Ungar*innen, Tschech*innen, Französ*innen und Israelis beteiligt, alle mit verschieden Hintergründen bezüglich des Holocaust. Wir wurden in Arbeitsgruppen unterteilt und waren erstmal damit beschäftigt, uns von der Anreise zu erholen.

Als wir dann am dritten Tag zusammen das „Stammlager I Auschwitz“ besuchten, war die Stimmung gedrückt. Es wurde kaum gesprochen und alle waren damit beschäftigt, den Erläuterungen der Führung zu lauschen. Es war, wie schon bei meinem ersten Besuch hier, ein beklemmendes Gefühl, als hätte Auschwitz eine Wunde in die Realität gerissen. Die Bilder der unaussprechlichen Gräueltaten an der Menschheit brannten sich in mein Gedächtnis. Die Frage der allgemeinen gesellschaftlichen Verarbeitung dieses Traumas kam in mir auf. Es wurde nicht leichter, sie zu beantworten, als wir die steinernen Baracken verließen und uns auf den Weg in die Jugendbegegnungsstätte machten, um ein Gespräch mit Lidia Maksymowicz führen zu dürfen. Sie war mit nur drei Jahren nach Auschwitz gekommen und musste grausame Experimente von Joseph Mengele, dem sogenannten „Todesengel von Auschwitz“, über sich ergehen lassen.

Am Tag darauf besichtigten wir Birkenau; ich hatte ein befremdliches Gefühl im Bauch, wahrscheinlich dadurch, dass das Eingangstor durch ein riesiges weißes Zelt versteckt war, welches als Schutz gegen die Natur diente. Wir gingen durch die wenigen gebliebenen Baracken, in denen Frauen und Kinder wie Vieh zusammengepfercht worden waren. Man will sich gar nicht vorstellen, wie es damals aussah. Nun, dies ist aber die brutale Wahrheit und Teil der deutschen und der deutsch-polnischen Geschichte. Bevor wir Birkenau betreten hatten, hatten wir alle Rosen in die Hand gedrückt bekommen. Ich legte meine an einem der gesprengten Krematorien nieder, um der Menschen zu gedenken, die hier verbrannt worden waren.

Nach der Besichtigung ging es zurück zur Jugendbegegnungsstätte für unser zweites Zeitzeug*innengespräch. Walentyna Ignaszewska-Nikodem war nach Auschwitz deportiert worden, da ihr nachgesagt wurde, Verbindungen zu Partisan*innen habe. Sie verhalf sich selbst bei einem der dutzenden Todesmärsche zur Flucht und führte ihre damalige Aufseherin einer gerechten Strafe zu.

Nun ist es endlich soweit, es ist der 27. Januar 2020, 75. Befreiungstag durch die Rote Armee.  Am Vormittag haben wir noch eine kurze Stadtführung durch Oświęcim, danach betreten wir das riesige weiße Zelt, unter dem das Eingangstor versteckt war. Es wirkt mit dem ganzen Drumherum eher wie eine Theaterkulisse als wie die berüchtigte „Einfahrt zur Hölle“, die es war. Wir hören viele verschiedene Redner*innen an dem Tag, darunter den polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda, den Museumsdirektor der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau Piotr Cywiński und mehrere Zeitzeug*innen. Alle Reden sind sehr emotional und bewegend, für die Redner*innen wie für uns Zuhörer*innen.

Zeitsprung. Nachdem wir einen ganzen Tag damit verbracht haben, von Oświęcim nach Berlin zu fahren, nehmen wir am 29. Januar an der Gedenkstunde im Deutschen Bundestag teil. Es sprechen Bundespräsident Steinmeier, Bundestagpräsident Schäuble und der israelische Staatspräsident Rivlin. Ihre Reden betonen, dass unsere, dass meine Generation nicht vergessen darf, was passiert ist, und dass wir Politiker*innen daran hindern müssen, die Geschichte neu auszulegen, nur weil es ihren politischen Ansinnen helfen würde. In unserer darauffolgenden Plenumssitzung mit den oben erwähnten Präsidenten haben wir leider nicht genügen Zeit, unsere Massen an Fragen zu Themen wie Holocaust, Geschichtsrevisionismus, Gedenken an die Opfer und viel mehr zu stellen.

Nach dieser zu kurzen Stunde mit den Präsidenten endet auch die Jugendbegegnung. Eine kurze, aber einprägsame Zeit mit einer Masse an Eindrücken, Informationen und Gefühlen, die einen überrollten. Ich werde die Aufgabe meiner Generation, das Vergessen zu verhindern, verfolgen. Ich hoffe, das gilt auch für die*denjenigen, die*der das hier gerade liest.

(Text: Justus Barnick)

(Foto © DBT/von Saldern)
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