Geschichte, Politik und Kultur Israels – Belletristik

Grossman, David: Eine Frau flieht vor einer Nachricht München 2009 (Übersetzt von Anne Birkenhauer) (736 Seiten)

Israel ist in Alarmbereitschaft. Deshalb will Ofer, dessen Wehrdienst gerade zu Ende gegangen ist, freiwillig an einem Militäreinsatz im Westjordanland teilnehmen. Seine Mutter Ora fährt ihn zur Sammelstelle, voller böser Vorahnungen. Kurz zuvor hat ihr Mann Ilan sie zusammen mit dem erstgeborenen Sohn verlassen. So beschließt sie, zusammen mit ihrem Jugendfreund Avram, eine Wanderung durch Galiläa zu machen. Sie hoffte, das drohende Unglück zu bannen, indem sie Avram die Geschichte von Ofer erzählt, und unerreichbar zu sein, falls das Schreckliche geschieht.

Eine Frau flieht vor einer Nachricht ist die große Erzählung von Ora und ihrer Familie: eine Frau zwischen zwei Männern, zwei Söhne von verschiedenen Vätern, der Versuch, in einen zerrissenen Land ein kleines „unheroisches Leben“ zu führen – Protest gegen den Krieg. Von Oras erster Begegnung mit Avram und Ilan auf einer Isolierstation während des Sechstagekriegs über Avrams ägyptische Gefangenschaft bis zu Ofers Meldung als Freiwilliger ist das Schicksal der Menschen unauflöslich mit den politischen Ereignissen in Israel verbunden.


Gutfreund, Amir: Unser Holocaust Berlin 2003 (Übersetzt von Markus Lemke) (648 Seiten)

Amir Gutfreunds bewegendes Erstlingswerk kreist um das vielfach gebrochene Bild, das die nachgeborene Generation in Israel von der nationalsozialistischen Judenvernichtung hat. Repräsentanten dieser Generation sind der Ich Erzähler Amir und seine Freundin Effi. Die Sommer ihrer Kindheit in einer Vorortsiedlung von Haifa sind bevölkert mit Holocaust-Überlebenden, die den unbefangenen Kinderblicken in hohem Maß sonderbar erscheinen. In den skurrilen Gestalten entdecken die beiden ein völlig anderes Gesicht des Holocaust als das, welches ihnen aus der öffentlichen Erinnerungskultur ihres Landes vertraut ist. Ein ungleich interessanteres, finden Amir und Effi, und widmen ihre Sommerferien fortan der Erforschung von unserem Holocaust. Dabei müssen die beiden mit Hartnäckigkeit und detektivischem Spürsinn vorgehen, denn die Wahrheit über die Welt der Konzentrationslager wird vor ihnen streng geheim gehalten. Also müssen die beiden belauschen, beobachten.


Jehoshua, Abraham B.: Die befreite Braut München/Zürich 2003 (Übersetzt von Ruth Achlama) (671 Seiten)

Natürlich, eine Ehe kann aus vielerlei Gründen scheitern, aber Yochanan Rivlin, Professor für Orientalistik in Haifa, ist davon überzeugt, dass sich hinter der Scheidung seines Sohnes ein unaussprechliches Geheimnis verbirgt. Sie liegt nun schon fünf Jahre zurück, und Ofer leidet unverändert. Was ist es, das ihn an Galia kettet, was hat seinen tiefen Schmerz ausgelöst? Entgegen allen vernünftigen Einwänden seiner Frau zermartert Rivlin sich das Hirn – bis der plötzliche Tod von Galias Vater ihm die Gelegenheit verschafft, wieder Kontakt zu ihr und ihrer Familie aufzunehmen. Und Rivlin beginnt seine klandestinen Besuche, die ihn auch zu Galias Schwester nach Jerusalem und in das Hotel führen, das der Verstorbene geleitet hatte. Am Ende sind es die beiden Araber Rashed und Fuad, die ihn der beinahe unfassbaren Wahrheit näherbringen. Poetisch, voller Humor und meisterhafter Psychologie führt uns Jehoschua ins Innerste einer modernen jüdischen Familie, die noch in der Hoffnung auf Frieden lebt.


Kashua, Sayed: Zweite Person Singular Berlin 2011 (Übersetzt von Mirjam Pressler) (400 Seiten)

Er ist Rechtsanwalt in Jerusalem. Er ist erfolgreich, angesehen, und sein sehnlichster Wunsch ist es, so zu sein wie sie. Sie, das sind die jüdischen Israelis, die ihm, dem arabischen Israeli, die Anerkennung verweigern. Der Rechtsanwalt ist getrieben von dem Verlangen, seiner bäuerlichen Herkunft mit schnellen Autos, teurer Kleidung, Wein und Sushi zu entkommen. Doch als er auf das Zeugnis einer vermeintlichen Affäre seiner Frau stößt, bricht sein Leben, brechen seine kulturellen Gewissheiten auseinander.

Zweite Person Singular erzählt die Geschichte zweier arabischer Israelis, die auf sehr verschiedene Weisen versuchen, ihre Fremdheit in der Mehrheitskultur, aber auch die gegenüber der für sie rückständigen arabischen Kultur, zu überwinden. Sayed Kashua ist einer der wichtigsten Stimmen eines säkularen Israels, das die Hoffnung auf eine Koexistenz zwischen Jüdinnen und Juden und Araber*innen nicht aufgeben mag. Dabei eröffnet sein Blick nicht nur tiefe Einsichten in die israelische Gesellschaft, sondern liefert auch verblüffende Parallelen zu unserer eigenen.


Leshem, Ron: Wenn es ein Paradies gibt Berlin 2008 (Übersetzt von Markus Lemke) (352 Seiten)

Wie kann ein Krieg zu Ende gehen, ohne dass ein Frieden folgt? Es ist das Frühjahr 1999. Noch immer steht die israelische Armee im Südlibanon. Auf der Festung Beaufort treffen neue Soldaten ein: Vierzehn junge Männer und der erst 21-jährige Offizier Ees. Die Jungs kommen frisch aus den Tel Aviver In-Lokalen, haben den Kopf voller Sex & Drugs und noch keine Ahnung, dass es ans Sterben geht. „Wenn es ein Paradies gibt, dann sieht es genau so aus, und wenn es eine Hölle gibt, fühlt sie sich genauso an“, damit erklärt ihnen der Kommandeur Beaufort: Was es heißt, ohne konkretes militärisches Ziel einfach auszuharren, in atemberaubender Landschaft, unter Dauerbeschuss durch die Hizbollah. Wie es sich aber anfühlt, wenn der vermeintlich letzte Soldat eines Krieges stirbt, und es ist ausgerechnet der Typ neben dir, das müssen sie selbst erfahren. Und auch, dass auf den letzten noch ein allerletzter Toter folgen kann.

Ron Leshem erzählt eine Geschichte von Helden, die gar keine sein wollen, von Angst, Freundschaft und dem Traum von einem wilden Leben. Er hat einen packenden Roman von dokumentarischer Kraft geschrieben: eine erhellende Innenschau aus Israels Armee, ein beunruhigendes Buch über den Nahen Osten.


Nevo, Eshkol: Neuland München 2013 (Übersetzt von Anne Birkenhauer) (640 Seiten)

Als sich Menis Spur in Südamerika verliert, ist das für seinen Sohn Dori ein nicht unwillkommener Anlass, Frau und Kind zu Hause in Tel Aviv zurückzulassen und sich selbst auf die Suche nach dem Vater zu machen. Auch Inbar, eine junge, ehrgeizige angehende Journalistin, setzt sich ab: Nach dem misslungenen Versuch, mit ihrer Mutter in Berlin ins Reine zu kommen, bucht sie ihr Rückflugticket kurzerhand nach Peru um. Der Zufall führt Dori und Inbar zusammen, zwei Menschen, die, verstrickt in ihre jeweilige Geschichte, nach Aufrichtigkeit und Freiheit suchen, auch wenn das erklärte Ziel der Reise, zu der sie gemeinsam aufbrechen werden, zunächst ein anderes ist.


Oz, Amos: Eine Geschichte von Liebe und Finsternis Frankfurt/M. 2004 (Übersetzt von Ruth Achlama) (828 Seiten)

Das Jerusalem der vierziger Jahre ist ein Fluchtpunkt für jene, denen es gelungen ist, den Nazis zu entkommen, und die entschlossen sind, sich nie wieder demütigen zu lassen. Zu ihnen gehören auch Arie und Fania. Ihr Sohn Amos träumt davon, eines Tages wie die Pioniere im Kibbuz zu sein, gelassen und stark. Stattdessen ist der empfindsame Junge mit der Geschichte seiner weitverzweigten, aus Osteuropa geflohenen Verwandtschaft konfrontiert – die von der Furcht vor Mikroben besessene Großmutter Schlomit, der berühmte Gelehrte Onkel Joseph und der so elegante wie lebenslustige Großvater Alexander. Vor allem aber ist es das Schicksal seiner Eltern, das ihn sein Leben lang beschäftigen wird: Zwei liebenswürdige Menschen, die einander nur Gutes wünschen und deren Ehe doch in einer Tragödie zu enden droht.


Shalev, Meir: Judiths Liebe Zürich 1998 (Übersetzt von Ruth Achlama) (400 Seiten)

Wer von den drei Männern, die seine Mutter Judith umworben haben, sein Vater ist, weiß der kleine Sejde nicht. Ist es der Bauer Mosche, der Viehhändler Globermann oder der Vogelzüchter Scheinfeld? Jeder der drei Väter kümmert sich anders um den Jungen: Der eine bietet ein Heim, der andere Geld, der dritte lädt zum Festessen ein. Doch alle drei erzählen sie von ihrer großen Liebe zur eigensinnigen Judith.

Manche Kinder haben eine Mutter und keinen Vater. Der zwölfjährige Sejde, der in einem kleinen Dorf in der Jesreel-Ebene lebt, aber hat eine Mutter – und drei Väter. Jeder der Väter, die ihr Leben lang auf verschiedenste Arten um Sejdes eigenwillige Mutter Judith geworben haben, vermittelt dem Kind, was er kann: Mosche Rabinowitz, auf dessen Hof Judith als Haushälterin arbeitet, gibt Sejde ein Zuhause und zwei Halbgeschwister; von Globermann, dem ungehobelten Viehhändler, dem Frauenheld und Zechbruder, bekommt Sejde ab und zu einen Geldschein zugesteckt und jede Menge bodenständiger Lebensweisheiten; Jakob Scheinfeld, der poetische Sonderling, erzählt Sejde alles, was er über Vögel weiß, und lehrt ihn das Kochen. Zu jedem großen Lebensabschnitt in Sejdes Leben bereitet Jakob ein mehrgängiges Menü für Sejde, das er auf feinstem Geschirr serviert, und natürlich gibt es dazu etwas aus dem großen Sack voller Geschichten um Sejdes Mutter, die Jakob angesammelt hat. Geschichten so voller Phantasie und Poesie, wie sie nur Meir Shalev zu erzählen versteht.