The Pink Underground - Digitalkonferenz 2020 LSBTQI*-Opfer des Holocausts sind nicht selbstverständlicher Teil der Erinnerungskulturen in Deutschland und Israel – das wollen wir ändern!

Lambda e.V. Grafik
Quelle: Lambda e.V.

Wir, ehrenamtliche Gruppenleiter*innen und Projektmitarbeitende von The Jerusalem Open House of Pride and Tolerance und dem Jugendnetzwerk Lambda e.V., kamen 2019 bei einem Fachkräfteaustausch in Jerusalem zusammen. Unser Ziel damals: neue Konzepte für unseren Jugendaustausch entwickeln. Schnell entstand daraus ein eigenständiges Projekt, das wir The Pink Underground nannten und in dem wir die Biographien von im Nationalsozialismus verfolgten LSBTIQ*s recherchieren und zugänglich machen wollen. Doch wir stellten fest, dass wir noch viele Fragen haben. Wie verknüpfen wir heutige Konzepte von sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten mit damaligen Lebensrealitäten? Wie genau sah die Verfolgung aus? Wie und wo können wir Biographien recherchieren? Wie können wir eine sensible und empowernde pädagogische Arbeit mit unseren Jugendgruppen zu diesem Thema gestalten? Hierfür wollten wir uns 2020 erneut in Berlin treffen, coronabedingt wurde daraus dann eine digitale Fachkonferenz. Was uns zunächst als Herausforderung erschien – eine Fachkonferenz digital durchzuführen – stellte sich alsbald als tolle Möglichkeit heraus, neue Tools und Arbeitsweisen kennenzulernen, die uns trotz der geografischen Distanz eng miteinander verbinden.

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Quelle: Lambda e.V.

So nutzten wir für die Strukturierung und Ergebnissicherung der Konferenz eine Online-Plattform, die wie ein riesiges gemeinsames Whiteboard funktioniert. Zusätzlich setzten wir unterhaltsamere online Tools ein, zum Beispiel zur Durchführung von Quizzen und Kennenlernspielen. Regelmäßige Videokonferenzen zwischen unseren zwei Organisationen haben wir im Vorfeld der Digitalkonferenz zur gemeinsamen Planung gestartet, mittlerweile sind sie als Möglichkeit des regelmäßigen, unkomplizierten Austausches und für Arbeitsgruppentreffen im Rahmen des Projektes nicht mehr wegzudenken. Ein weiterer Vorteil der Durchführung der Fachkonferenz im digitalen Raum war für uns, dass wir sowohl Expert*innen zur Verfolgung von LSBTIQ*s während des Holocausts aus Israel als auch aus Deutschland dazuschalten konnten. Diese Vielzahl an Perspektiven half uns, Antworten auf unsere von uns selbst an unser Projekt gestellten Fragen zu finden.

Wir, die heutigen jungen LSBTIQ*s aus Deutschland und Israel, fühlen uns den Generationen vor uns verbunden. Für uns sind im Nationalsozialismus Verfolgte LSBTIQ*s Teil unserer Community und wir wollen die Erinnerung an sie wachhalten. Egal, ob es sich dabei um jüdische Personen handelt, die eben auch lesbisch, schwul, bisexuell, trans*, inter* oder queer waren, oder um LSBTIQ*s, die aufgrund des 175§ oder aus anderen Gründen verfolgt wurden.

Die Beschäftigung mit den Lebensrealitäten von LSBTIQ*s im Nationalsozialismus während der Digitalkonferenz hat uns eindeutig vor Augen geführt, dass Menschen, die gleichgeschlechtlich begehrten und/oder von den vorherrschenden, zweigeschlechtlichen Geschlechternormen abwichen, nicht frei, offen und selbstbestimmt leben konnten. Ein Teil von ihnen wurde verfolgt und ermordet, ein anderer Teil konnte sich anpassen bzw. die eigene Abweichung verstecken und sich so einer Verfolgung entziehen. Klar ist, dass ein Entzug der Verfolgung jedoch nur den Personen möglich war, die nicht als jüdisch oder aufgrund anderer von den Nationalsozialisten festgelegten Kategorien verfolgt wurden.

Mit der Verfolgung und Ermordung zahlreicher LSBTIQ*s und der Zerstörung von für die LSBTIQ* Community relevanten Orten und Netzwerke wurde zudem in hohem Maße Wissen und Kulturgut vernichtet. Hierzu gehören zum Beispiel das von Magnus Hirschfeld gegründete Institut für Sozialwissenschaften, lesbische Zeitschriften wie „Die Freundin“, Lokale und kleine Vereine. Wissen über die vernichteten Strukturen zu rekonstruieren, kann ein wertvolles Mittel in der pädagogischen Arbeit mit LSBTIQ*- Jugendlichen sein. Die Repräsentation durch historisch bedeutsame LSBTIQ* kann die Identitätsfindung stärken, die Biographien einzelner historischer Figuren der LSBTIQ*-Community können gleichsam eine Vorbildfunktion für junge LSBTIQ*s sein.

Die Aufarbeitung von LSBTIQ*-Biographien im Holocaust soll zukünftig im Rahmen unseres Jugendaustausches durch Jugendliche in beiden Ländern geschehen. Davon versprechen wir uns einen wieder stärkeren emotionalen Bezug zur historischen Verpflichtung Deutschlands und Israels und unserer Community zur Erinnerung an den Holocaust.

(Nora Meduri, Jugendnetzwerk Lambda e.V.)

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