Israel nach dem 7. Oktober – Stimmen aus Jugendarbeit und Gesellschaft

Online-Gespräch mit Dr. Andrea Livnat

**English version below**

Bereits wenige Tage nach den Angriffen der Hamas auf Israel lud ConAct Fachkräfte im Deutsch-Israelischen Jugendaustausch zu einer aktuellen Stunde mit Partner*innen vom Verband der Israelischen Jugendbewegungen ein. Hierbei wurden der Bedarf und das Interesse deutlich, in dieser Krisenzeit im engen Austausch miteinander und mit ConAct zu stehen und Stimmen aus Israel zu hören. Vor diesem Hintergrund finden seit Oktober 2023 regelmäßig digitale Angebote von ConAct mit Menschen aus der israelischen Jugendarbeit und Gesellschaft statt.

Am 3. September setzte ConAct die Gesprächsreihe mit Andrea Livnat fort. Die Münchner Historikerin und Journalistin zog vor 22 Jahren nach Tel Aviv und hat seitdem ihren Lebensmittelpunkt in Israel. Als Herausgeberin und Redakteurin des jüdischen Nachrichtenportals HaGalil schreibt sie für eine deutschsprachige Leserschaft zu verschiedenen Themen aus der jüdischen Welt und Israel.

Andrea Livnat berichtete vom Alltag in Israel. Dieser erscheine auf den ersten Blick geprägt von Normalität. Während jedoch viele Menschen ihren gewöhnlichen Beschäftigungen nachgingen, sei die Stimmung insgesamt angespannt. Dies lasse sich nicht zuletzt an den vielen Demonstrationen für ein Abkommen zur Freilassung der Geiseln ablesen. Auch die ungeklärte Situation der vielen Zehntausend aus dem Norden evakuierten Israelis verweise darauf, dass eine Rückkehr zum Zustand vor dem 7. Oktober noch in weiter Ferne liege. Für den Zustand der Gesellschaft – fast 11 Monate nach dem Massaker der Hamas – hielt sie fest: „Das Trauma des 7. Oktobers ist nicht bewältigt.“ 

Führte die Reaktion auf den 7. Oktober anfänglich noch zu einem großen gesellschaftlichen Zusammenhalt, so seien mit der Zeit alte Konfliktlinien wieder aufgebrochen und neue hinzugekommen. Dazu zählte Andrea Livnat die Spaltung zwischen politisch rechtem und linken Lager, zwischen säkularen und religiösen Israelis sowie zwischen jüdischen und nichtjüdischen Bürgern. Bei den letztgenannten sei es jedoch nicht zur befürchteten Eskalation gekommen. Während es 2021 im Laufe der militärischen Auseinandersetzung zwischen Israel und terroristischen Gruppen im Gazastreifen zu Krawallen in Städten mit jüdischer und arabischer Bevölkerung gekommen war, seien diese nach dem 7. Oktober ausgeblieben. Dies sei laut Livnat darauf zurückzuführen, dass sich arabische Israelis gleichermaßen vom Terror der Hamas betroffen fühlen. Schließlich habe die Terrororganisation am 7. Oktober unterschiedslos arabische und jüdische Israelis ermordet und entführt. Somit bleibe die Hoffnung, dass eventuelle Chancen zu einem besseren Miteinander nicht ungenutzt verstreichen. 

Sie haben ein Gespräch verpasst? Alle Berichte zu unserer Gesprächsreihe finden Sie hier im Überblick: 

Israel nach dem 7. Oktober – Stimmen aus Jugendarbeit und Gesellschaft


**English version**

Just a few days after the Hamas attacks on Israel, ConAct invited experts in German-Israeli youth exchange to a live discussion with partners from the Council of Youth Movements in Israel. At the meeting, it became clear that there was a need and interest in maintaining a close exchange with each other and with ConAct during this time of crisis and in hearing voices from Israel. In this context, ConAct is holding a series of digital events with people from Israeli youth work and society for the past months.

On September 3, ConAct continued its discussion series with Andrea Livnat. The historian and journalist from Munich moved to Tel Aviv 22 years ago and has since made Israel her home. As the editor and publisher of the Jewish news portal HaGalil, she writes on various topics from the Jewish world and Israel for a German-speaking audience.

Andrea Livnat reported on daily life in Israel. At first glance, it may seem characterized by normality. However, while many people seem to be engaged in their usual daily activities, the overall atmosphere is tense. This can be seen, among other things, in the many demonstrations for an agreement on the release of hostages. The unclear situation of the many tens of thousands of Israelis evacuated from the north also indicates that a return to the state before October 7 is still far off. Regarding the state of society—almost 11 months after the Hamas massacre—she stated: “The trauma of October 7 has not been overcome.”

While the initial reaction to October 7 led to significant societal cohesion, over time, old conflict lines have resurfaced, and new ones have emerged. Andrea Livnat cited the division between the political right and left, between secular and religious Israelis, and between Jewish and non-Jewish citizens. However, no escalation has occurred among the latter group, as was feared. While riots took place in cities with Jewish and Arab populations during the military confrontation between Israel and terrorist groups in the Gaza Strip in 2021, these have not occurred after October 7. According to Livnat, this is due to Arab Israelis feeling equally affected by the Hamas terror. After all, the terrorist organization indiscriminately murdered and abducted both Arab and Jewish Israelis on October 7. Thus, there remains hope that any potential opportunities for better coexistence will not go to waste.

Did you miss a discussion? All reports from our discussion series are listed here:

Israel after October 7 – Voices from Youth Work and Society

Screenshot einer Zoom-Sitzung mit Andrea Livnat
Dr. Andrea Livnat im Online-Gespräch mit Fachkräften aus dem Deutsch-Israelischen Austausch
Screenshot einer Zoom-Sitzung mit Andrea Livnat