Charité Berlin – Pirna-Sonnenstein. Euthanasie im Nationalsozialismus
Mit der Sorge, die einzige Ahnungslose über das Thema „Euthanasie im Nationalsozialismus“ zu sein, betrat ich am 23. Januar den Deutschen Bundestag. Wie sich aber gleich am ersten Tag herausstellte, war dieses Thema nicht nur mir neu, sondern vielen der 80 Teilnehmer*innen der internationalen Jugendbegegnung, die zum Teil von weit her angereist waren.
In Pirna und in der zur Zeit des Nationalsozialismus als „Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein“ bezeichneten Vernichtungsanstalt für physisch und psychisch kranke Menschen begannen wir, unsere Wissenslücken zu füllen. Dies geschah durch Vorträge, Diskussionen, Quellenarbeit und auch Führungen durch das Gelände. Ein stark diskutiertes Thema war unter anderem die Sterbehilfe: Sollte sie unterstützt werden – ja oder nein? Nach zwei Tagen in Pirna und intensiver Auseinandersetzung mit dem Thema „Euthanasie im Nationalsozialismus“ hatte ich viel, viel mehr über das Thema gelernt als in meinen acht Jahren Geschichtsunterricht am Gymnasium.
Zurück in Berlin besuchten wir den „GeDenkOrt.Charité“. Dort bemüht man sich um die historisch- wissenschaftliche Aufarbeitung der Charité, also der Berliner Universitätsklinik, im Nationalsozialismus. Wir hörten unter anderem von der umstrittenen Rolle Karl Bonhoeffers in der Euthanasie, von Max de Crinis, dem Nachfolger Karl Bonhoeffers, NSDAP- Mitglied und ab August 1939 Mitglied eines Kreises von Psychiater*innen, die die Krankenmorde vorbereiteten. Auch die Verbrechen an Kindern wurden nicht ausgelassen. Anschließend fuhren wir zur Topographie des Terrors, in der wir uns auf die Diskussionsrunde mit der Vizepräsidentin des Bundestages Ulla Schmidt vorbereiteten. Nach dem Abendessen schauten wir uns dort noch den Film „Nebel im August“ an, der uns zum Nachdenken anregte.
Am Freitag war er nun schließlich gekommen – der 27. Januar, Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Wir durften an der bewegenden Gedenkstunde im Bundestag teilnehmen, in deren Fokus dieses Jahr ebenfalls die Euthanasiemorde standen. Bei der anschließenden Diskussions- und Fragerunde mit der Vizepräsidentin des Bundestages Ulla Schmidt sowie den Redner*innen Hartmut Traub, Sigrid Falkenstein und dem Schauspieler Sebastian Urbanski hatten wir die Gelegenheit, unsere über die Woche gesammelten Fragen loszuwerden.
Innerhalb dieser fünf Tage hatten wir nicht nur die Gelegenheit, uns mit dem Thema „Euthanasie“ intensiv zu beschäftigen und auseinanderzusetzen. Genauso wichtig war es, die anderen Teilnehmer*innen aus Deutschland und vielen anderen Ländern kennenzulernen, Geschichten auszutauschen und neue Freundschaften zu schließen. Insgesamt war die Jugendbegegnung eine bewegende Erfahrung, die mir viel Neues auf den Weg mitgegeben hat.
Julia von Thadden