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„Sichtbar Handeln!“ – Antisemitismus erkennen und pädagogisch begegnen

ConAct-Fortbildung für Fachkräfte der Internationalen Jugendarbeit stärkt Handlungskompetenz im Umgang mit Antisemitismus

Wie lassen sich antisemitische Situationen im beruflichen Kontext erkennen und wirksam bearbeiten? Diese Frage prägte das erste Modul der dreiteiligen ConAct-Fortbildung „Sichtbar Handeln! Umgehen mit Antisemitismus in Jugend- und Bildungsarbeit“, das vom 7.–11. April 2025 in Hannover stattfand. 20 Fachkräfte der Internationalen Jugendarbeit kamen zusammen, um sich auszutauschen, eigene Haltungen zu reflektieren und um konkrete Handlungsoptionen zu entwickeln – erstmals in Kooperation mit IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e. V.

Das umfassende Lern- und Diskursangebot fand bereits zum neunten Mal statt. Es verknüpft die pädagogische Auseinandersetzung mit Antisemitismus mit Perspektiven deutsch-israelischer Begegnungsarbeit.

Antisemitismus in Vergangenheit und Gegenwart. Zu Beginn der Woche setzten sich die Teilnehmenden mit historischen und gegenwärtigen Erscheinungsformen von Antisemitismus auseinander. Anhand von Bildmaterial aus der Methodensammlung für antisemitismussensible Bildungs- und Begegnungsarbeit wurden Kontinuitäten und Funktionen antisemitischer Mythen sichtbar gemacht. Deutlich wurde, dass Antisemitismus bis heute vermeintlich einfache und entlastende Antworten auf komplexe Fragen bietet und dabei Ausgrenzung und Gewalt fördert. „Es ist erschreckend zu bemerken, wie vertraut uns antisemitische Bilder sind“, stellte ein Teilnehmender fest. Diese Selbstreflexion bildete den Ausgangspunkt für die weitere Arbeit.

Aktuelle Entwicklungen und der 7. Oktober. Ein Referent der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Niedersachsen berichtete vom drastischen Anstieg antisemitischer Vorfälle seit dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023. Die Fachkräfte wurden ermutigt, Verdachtsfälle an RIAS zu melden, um zur Aufklärung beizutragen und die eigene Wahrnehmung für antisemitische Aussagen und Handlungen zu schärfen.

Jüdisches Leben heute: Begegnungen in Hannover. Durch einen von den Teilnehmenden selbstorganisierten digitalen Stadtrundgang von Zukunft heißt erinnern und Besuche in der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover erhielt die Gruppe Einblicke in die Vielfalt jüdischen Lebens vor Ort. Besonders die Kinder- und Jugendarbeit der Gemeinde – von der Kindertagesstätte bis hin zu verschiedenen Jugendgruppen – wurde als bedeutend hervorgehoben. Gerade nach dem 7. Oktober bietet sie sichere Räume zur Identitätsfindung und -bildung.
Ein Höhepunkt der Seminarwoche war das gemeinsame Kochen mit Sagit alias Lady Shakshuka, die als Deutsch-Israelin ihre Erfahrungen nach dem Angriff schilderte und von ihrem Engagement in der Initiative Run for their lives berichtete, die sich für die Freilassung der Geiseln der Hamas einsetzt.

Erinnerungskultur aktiv gestalten. Ein Besuch der Gedenkstätte Ahlem ermöglichte eine vertiefte Auseinandersetzung mit NS-Geschichte und der Shoah. Die wechselvolle Geschichte dieser ehemaligen Israelitischen Gartenbauschule – von der jüdischen Bildungsstätte mit Vorbereitung zur Auswanderung nach 1933 über ein Lager der Gestapo mit Hinrichtungsstätte bis hin zum Kibbuz nach dem Krieg erbaut durch Überlebende – regte zu Fragen der heutigen Erinnerungskultur in Deutschland an. Die Diskussionen der Teilnehmenden drehten sich um zeitgemäße und zielgruppengerechte Geschichtsvermittlung und die Bedeutung lokaler Erinnerungsorte.

Was der 7. Oktober verändert hat. Erfahrungsberichte aus Israel und den jüdischen Communities sowie künstlerische Bilder aus Methoden der Handreichung Bildung und Begegnung nach dem 7. Oktober verdeutlichten die tiefgreifenden Auswirkungen der Ereignisse des 7. Oktober. Besonders eindrücklich waren für die Teilnehmenden die persönlichen Begegnungen mit jüdischen und israelischen Menschen in Hannover. Ein Teilnehmer brachte es auf den Punkt: „Mich haben während des gesamten Seminars besonders die Berichte der jüdischen und israelischen Menschen in Deutschland beschäftigt – welch großen Einfluss der 7. Oktober auf ihr soziales Leben hatte. Wie wenig Empathie sie erfahren haben und dass sogar Kontakte abgerochen wurden, finde ich erschreckend.“

Der Nahostkonflikt in der Bildungsarbeit. In Workshops mit dem Team von „Sichtbar Handeln! Gegen Antisemitismus.“ und dem Verein Bildungsbausteine wurden Methoden erprobt, um israelbezogenen Antisemitismus und den Nahostkonflikt pädagogisch zu thematisieren. Zentrale Fragen lauteten: Wie ist legitime, sachliche Kritik von antisemitischen Argumentationsmustern zu unterscheiden? Wie verlaufen die Diskurse in Deutschland? Das Fazit: „Der Nahostkonflikt ist pädagogisch bearbeitbar!“

Im Alltag handlungsfähig werden. Zum Abschluss entwickelten die Teilnehmenden konkrete Handlungsoptionen für Situationen aus ihrem Berufsalltag, in denen sie mit antisemitischen Äußerungen konfrontiert waren. Die zentrale Frage: „Was passiert, wenn ich nichts tue?“ – und die klare Antwort: Nichts zu tun, ist keine Option. Die Fachkräfte der Internationalen Jugendarbeit fühlten sich nach der Seminarwoche bestärkt, Antisemitismus zu erkennen, zu benennen und ihm kompetent entgegenzutreten – sowohl präventiv als auch intervenierend.


Mehr über das von ConAct realisierte Projekt „Sichtbar Handeln! Umgehen mit Antisemitismus in Jugend- und Bildungsarbeit“ erfahren Sie unter www.Sichtbar-Handeln.org.

Das Projekt „Sichtbar Handeln! Umgehen mit Antisemitismus in Jugend- und Bildungsarbeit“ wird von ConAct – Koordinierungszentrum Deutsch-Israelischer Jugendaustausch in Kooperation mit der Israel Youth Exchange Authority und dem Council of Youth Movements seit 2020 realisiert. Es wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Logo des Projekts "Sichtbar Handeln gegen Antisemitismus" (petrol-gelb-grünes Ausrufezeichen und Schriftzug)
Seminarsituation in der zwei Referent*innen eine Präsentation und am Boden liegende Schaubilder erklären.
Ein Gruppe von zwei Männern und einer Frau strahlen in die Kamera und halten dabei ihren selbstgemachten Hummus hoch.
Eine junge Frau erklärt Symbole und rituelle Gegenstände für Pessach in einer Jüdischen Gemeinde.
Besuch der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover
Eine Gruppe sitz in einem Ausstellungsraum der Gedenkstätte Ahlem und hört interessiert zu.
Gedenkstätte Ahlem
Kleingruppe beschriftet große Plakat, die auf einem Tisch liegen.
Alle Fotos: ConAct