Veranstaltungsarchiv

„Kleine Dinge können große Diskussionen hervorrufen“

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Bereichernder ‎Erfahrungsaustausch im ConAct-Fachkräfteprogramm in Berlin

Vom 22. bis 26. August 2016 traf sich eine Gruppe von Fachkräften aus Deutschland und Israel in Berlin, um im Rahmen des Projekts „Living Diversity in Germany and Israel – Challenges and Perspectives for Education and Youth Exchange“ an einem professionellen Austausch teilzunehmen.

Nach einem interessanten ersten Tag mit Aktivitäten im Freien und einer faszinierenden Tour über Jüdisches Leben im Prenzlauer Berg begannen die Teilnehmenden das bilaterale Programm mit einem ausführlichen Gespräch über das Leben in persönlicher und sozialer Vielfalt in beiden Ländern. Im Eröffnungsteil hielt Prof. Dr. Natan Sznaider einen inspirierenden Vortrag zum Thema des Multikulturalismus in der israelischen Gesellschaft. Dabei erklärte er die Herausforderungen, die das Leben in einem ethnisch geprägten Staat mit sich bringt, der aus einer einzigartigen Zusammensetzung von Menschen besteht – von ihm als multi-folkloristische Gesellschaft beschrieben. Später wurde die bilaterale Gruppe von Eike Totter, Interkultureller und Social-Justice-Trainer, in die Hauptaspekte von Erziehung zur Vielfalt eingeführt, aber auch in die Herausforderungen, denen Expert/-innen begegnen. Diversitätsbewusste Bildung entwickelt ein Bewusstsein für die endlosen Möglichkeiten und Eigenschaften eines Individuums und zeigt Unterschiede auf, die Diskriminierung und Exklusion ermöglichen. Doch aus diesem Ansatz erwächst ein Widerspruch, der auch die Teilnehmenden während des Treffens begleitet hat: Wie können wir Vielfalt thematisieren und damit umgehen, ohne Etiketten zu verwenden und ohne die Unterschiede hervorzuheben, wenn gleichzeitig das Ignorieren der Unterschiede den Status quo festschreibt?

Methodenaustausch: „Kleine Dinge können große Diskussionen hervorrufen“

Die sozialen Entwicklungen und Transformationen sowohl in Deutschland als auch in Israel haben direkte Folgen für jegliche Formen pädagogischer Aktivitäten und verlangen deshalb nach neuen und relevanten Methoden. Nach einem tiefgehenden und erkenntnisreichen Austausch in Kleingruppen zum Thema sozialer Vielfalt in beiden Ländern bereicherten die Teilnehmenden den fachlichen Austausch durch die Vorstellung von Methoden, die sie in ihrer Arbeit mit Jugendlichen nutzen und die zugleich für die diversitätsbewusste Bildung gut geeignet sind.

Neben anderen Methoden und Arbeitsweisen wurde der Gruppe die Methode des Vielfalt schreiben durch Sara Spring (Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V.) vorgestellt. Diese Methode verbindet kreatives und biografisches Schreiben mit diversitätsbewusster Bildung und dem Social-Justice-Ansatz. Sie ermöglicht den Teilnehmer/-innen, ihre biografischen Geschichten zu teilen, ihre Erfahrungen zu visualisieren, Gemeinsamkeiten zu finden und sich zum Themenkomplex von Vielfalt und dem Einfluss von Diskriminierung in ihren Gesellschaften vor dem Hintergrund persönlicher Erfahrungen auszutauschen.

Die geteilten Methoden reflektierend stimmten die Teilnehmenden darin überein, dass kleine und kreative Methoden große und aufschlussreiche Unterhaltungen anstoßen können. Einfache Methoden wie das Menschliche Bingo, vorgestellt von Nora Ellerbrock (Jugendnetzwerk Lambda e.V.), oder die Kritische Benennung von Gender-Aspekten, präsentiert von Ariel Ben Shanan (Israeli Gay Youth), können eine ausgezeichnete Plattform für unterschiedliche Gruppen von Jugendlichen schaffen, um über verschiedene Aspekte von Identität und Geschlecht zu reflektieren. Auf ähnliche Weise hat ein Biografisches Geschichtenerzählen über die äthiopische Gemeinde in Israel durch Mazal Pikado (Tzofim – Israeli Scouts) – kombiniert mit musikalischen Elementen – Ideen an die Oberfläche gebracht, wie mit marginalisierten Gruppen und Geschichte(n) umgegangen werden kann.

Projektbesuche

Am dritten und vierten Tag des bilateralen Programms haben die Teilnehmenden Projekte und Organisationen in Berlin besucht und Einblicke in Methoden und Praktiken gewonnen, die gegenwärtig in diesen Institutionen Anwendung finden. In einem dreistündigen Workshop bei 7xjung – Dein Trainingsplatz für Zusammenhalt und Respekt wurden ihnen die Methoden vorgestellt, die in diesem Lernort verwendet werden, um von historischen Fakten und persönlichen Schilderungen aus der Nazizeit eine Brücke zu Phänomenen sozialer Diskriminierung in der Gegenwart zu schlagen. Auch die Ermutigung zu mehr Zivilcourage war dabei ein Thema.

Die Notwendigkeit, Verbindungspunkte zwischen Menschen unterschiedlicher Hintergründe zu finden und die positive Bedeutung von Vielfalt in der heutigen deutschen Gesellschaft zu stärken, wurde ebenso in der Unterhaltung mit dem pädagogischen Personal der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA) betont. Die KIgA arbeitet derzeit an der Entwicklung einer dreisprachigen Ausstellung, die verschiedene Facetten des heutigen jüdischen Lebens in Berlin präsentiert. Dabei nimmt sie besonders die Ähnlichkeiten zwischen jüdischen und nichtjüdischen Menschen in den Blick sowie ihre gemeinsamen Erfahrungen wie Flucht, Integration und die Identitätstransformation in einer neuen Gesellschaft.

Ein weiterer Punkt, der während der Projektbesuche erwähnt wurde, war die Wichtigkeit, die richtige Terminologie zu verwenden, wenn über Geschlechtsidentität gesprochen wird. Während eines Besuchs der Diversity Box, dem neuen Projekt des Archivs der Jugendkulturen, sind die Fachkräfte aus Deutschland und Israel neuen Aspekten in der Heterogenität biologischer und sozialer Geschlechter begegnet und haben ihre Ansichten darüber ausgetauscht, wie in ihrer Arbeit mit Jugendlichen ein größeres Bewusstsein für dieses Thema geschaffen werden kann.

Das ertragreiche Programm hat einen wichtigen Raum für die Zusammenarbeit zwischen Leiter/-innen der Jugendarbeit aus Deutschland und Israel geschaffen, die in ihrer täglichen Arbeit den Herausforderungen des Lebens und Lernens in persönlicher und sozialer Vielfalt begegnen. Dieser Austausch wird mit einem Blick darauf fortgesetzt werden, wie Bildungsstrategien weiterentwickelt werden können, um das Bewusstsein für die bestehende Vielfalt in beiden Ländern zu steigern. Darüber hinaus werden sich die Pädagog/-innen darin weiterqualifizieren, die Dynamiken verschiedener Ausdrucksweisen von Identitäten besser zu verstehen, um sie für eine gleichberechtigtere und vielfältigere Repräsentation von Jugendlichen in ihrem Arbeitsfeld zu nutzen. Vielfalt in Jugendgruppen anzuerkennen und diese dazu zu ermutigen, bleibt in beiden Ländern eine herausfordernde Aufgabe.

Wir freuen uns auf den zweiten Teil des Fachkräfteprogramms, der 2017 in Israel stattfinden wird.

Fachkräfte der bilateralen Gruppe probieren Methoden aus.
Das Ausprobieren von Methoden (Foto © ConAct)
Gemeinsames Arbeiten in der bilateralen Gruppe.
Gemeinsames Arbeiten in der bilateralen Gruppe (Foto © ConAct)
Projektbesuch der Fachkräfte bei 7x jung.
Projektbesuch bei 7x jung (Foto © ConAct)
Die gesamte Gruppe des Fachkräfteprogramms.
Die gesamte Gruppe des Fachkräfteprogramms (Foto © ConAct)
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